Trần Thị Thu Hương und Nguyễn Phùng Quang kommen zum Studieren und Promovieren in die DDR. Beide absolvieren ihre akademische Ausbildung an Hochschulen in Dresden. Kennengelernt haben sie sich aber in Vietnam.

Mit 18 an die Universität

Nguyễn Phùng Quang ist 18 Jahre alt, als er 1971 in Dresden sein Studium der Elektrotechnik aufnimmt. Schon in Hanoi hatte er sechs Monate lang Deutsch gelernt, nun beginnt er direkt an der TU Dresden zu studieren. In seiner Klasse sind zwei weitere Studenten aus Vietnam. Die drei sitzen immer in der ersten Reihe, um möglichst alles gut zu verstehen. Ältere deutsche Studierende werden ihnen als Tutor: innen zur Seite gestellt. Mit deren Hilfe überwinden sie die ersten Schwierigkeiten und können später selbst mit ihrem guten fachlichen Wissen helfen, erinnert sich Quang. Er hat in dieser Zeit Freundschaften geschlossen, die er heute noch pflegt.

Wie alle internationalen Studierenden lebt auch Quang im Wohnheim. Die Stadt Dresden gefällt ihm, aber seine ganze Konzentration gilt der Uni. Nach vier Jahren schließt er das Studium der Elektrotechnik erfolgreich ab und absolviert noch zwei Praktika in Betrieben der DDR. 1976 kehrt er nach Vietnam zurück.

 

Hochzeit in Vietnam – Forschung in der DDR

Trần Thị Thu Hương und Nguyễn Phùng Quang lernen sich in Hanoi kennen, heiraten, und im November 1979 kommt ihr Sohn Duc Viet zur Welt. Als der Junge sieben Jahre alt ist, erhält seine Mutter die Möglichkeit, an der Hochschule für Verkehrswesen (HfV) Dresden im Bereich Informationstechnik zu promovieren. Die Computertechnologie steckt zu dieser Zeit noch in den Kinderschuhen, in Vietnam sind Computer und Nachrichtentechnik gar nicht vorhanden. Hương erzählt, dass es damals auch in Deutschland nur Computer der ersten Generation und erste einfache Softwareprogrammierungen gab.

Zunächst lernt sie neun Monate lang Deutsch in Hanoi. Danach reist sie allein in die DDR. Nach weiteren fünf Monaten Deutschkurs in Chemnitz beginnt sie ihre Arbeit an der Hochschule in Dresden. Hier muss sie auch die Programmiersprache Pascal lernen. Hương forscht nun zum Thema „Paketübertragungstechnik“ Das ist nicht nur für sie ein ganz neues Gebiet.

Nguyễn Phùng Quang erinnert sich an den Tag der Abschlussfeier an der Universität. Trần Thị Thu Hương erzählt von ihrer ersten Zeit in Deutschland.

Freundschaft und Familie

In den ersten Monaten vermisst Trần Thị Thu Hương ihren Sohn sehr. In dieser Zeit knüpft sie erste freundschaftliche Kontakte zu Sabine, einer Kollegin, die an der Universität im gleichen Projekt arbeitet. Durch einen vietnamesischen Kommilitonen ihres Mannes lernt sie Elli Zimmermann kennen. Die alleinstehende ältere Frau lädt die Studentin an den Wochenenden zu sich nach Merseburg ein. Es entwickelt sich ein enges und herzliches Verhältnis. Hương nennt sie „meine deutsche Mutter“. Die Verbindung reißt nie ab, bis zu ihrem Tod 1993 schreibt Elli mit ihrer Schreibmaschine lange Briefe nach Vietnam.

Sie liebte mich wie meine eigene Mutter, ich fühlte mich warm und behütet.

Trần Thị Thu Hương, Hanoi 2021

Nach zwei Jahren kann Trần Thị Thu Hương im Juni 1988 ihren Sohn in die DDR holen. Sie freut sich sehr, muss aber auch jeden Tag zur Arbeit an die Hochschule. Durch Zufall lernt sie Familie Dittloff kennen. Das Ehepaar hat selbst zwölf Kinder, eine Tochter geht mit Duc Viet in dieselbe Klasse. Frau Dittloff lädt ihn ein und nimmt ihn einfach wie ein weiteres Kind in ihre Familie auf. Ab nun verbringt Duc Viet die Nachmittage regelmäßig bei der deutschen Familie. Er lernt dort sehr schnell die Sprache und kann in der Schule gut mithalten.

Trần Thị Thu Hương erzählt, wie sie das Problem der Kinderbetreuung lösen konnte. Nguyễn Phùng Quang erklärt, wie der Name des Sohnes gefunden wurde.

Akademisches Familienleben in Dresden

Im September 1988 reist auch Nguyễn Phùng Quang ein zweites Mal in die DDR, dieses Mal als Doktorand der TU Dresden. Kurz nach seiner Ankunft feiert die Familie den zehnten Hochzeitstag. Als Überraschung hatten einige Kolleg:innen der Uni eine Torte und Blumen organisiert. Die meisten Kontakte und Freundschaften entstehen im akademischen Umfeld des Ehepaares. Besonders eng verbunden sind sie mit Sabine S. und ihrem Mann. Die Freundschaft zwischen den Familien bleibt über die Jahre bestehen. Als Duc Viet später auch in Deutschland studiert, unterstützt ihn diese Familie während des gesamten Studiums.

Trần Thị Thu Hương und Nguyễn Phùng Quang erzählen vom Familienleben und vom erfolgreichen Abschluss ihrer akademischen Ausbildung.

Promotion am Ende der DDR

Damit sich die Eltern ganz auf die Arbeit und Prüfungen konzentrieren können, wird Duc Viet 1989 nach Vietnam zur Familie geschickt. Die Forschungsarbeiten des Ehepaares fallen in die Zeit des politischen Umbruchs in Deutschland. Das bedeutet Unsicherheit, aber auch neue Möglichkeiten und neue fachliche Impulse aus dem Westen. Der erste Besuch Nguyễn Phùng Quangs in Westberlin gilt der Bibliothek der TU Berlin.

Viele Kommiliton:innen brechen in dieser unsicheren Zeit ihre Arbeiten ab. Trần Thị Thu Hương schafft es trotzdem. Nach nur drei Jahren schließt sie ihre Promotion im Februar 1990 erfolgreich ab. Danach kehrt sie nach Vietnam zurück. Dort arbeitet sie in der Telekommunikationsabteilung der Vietnam Posts and Telecommunications Corporation und baut das erste Datenübertragungsnetz Vietnams mit auf.

1991 promoviert auch Nguyễn Phùng Quang und arbeitet danach als Entwicklungsingenieur in Metzingen. Drei Jahre später kehrt er erneut nach Dresden zurück, habilitiert und lehrt als Privatdozent an der TU Dresden. Seit 1999 ist er Hochschullehrer an der TU Hanoi.

Trần Thị Thu Hương und Trần Nguyễn Duc Viet kommen 1992 wieder nach Deutschland. Hương absolviert noch ein Aufbaustudium an der TU Dresden und arbeitet ab 1999 als IT-Beraterin in Hanoi.

Trần Nguyễn Duc Viet studiert Elektrotechnik an der TU Dresden und ist heute als Projektmanager in Ho-Chi-Minh-Stadt tätig.

Credits:
Das Interview führte Prof. Dr. Phạm Quang Minh 2021 in Hanoi.
Text: Julia Oelkers
Recherche und Rechercheprotokoll der Fotos: Trần Bảo Ngọc Anh
Konzept Videoschnitt: Julia Oelkers