Kostas Kipuros wächst in den sechziger Jahren als Sohn politischer Immigrant:innen aus Griechenland in Radebeul und Leipzig auf. Er studiert Journalismus und arbeitet für die Leipziger Volkszeitung (LVZ). Die Demonstrationen 1989 und die kurze Zeit der Aufbruchstimmung während der politischen Wende erlebt er hautnah mit.

Griechisch in Radebeul

In den Jahren 1949 und 1950 reisen über 1 000 Kinder und Jugendliche aus Griechenland in die DDR ein, darunter auch die damals sechzehnjährige Mutter von Kostas Kipuros. Es sind Kinder und Jugendliche aus Familien, die vor dem Bürgerkrieg geflohen waren.[1] Sie werden zunächst in Radebeul untergebracht. Dort lernen sich später auch die Eltern von Kostas kennen, und Kostas verbringt in Radebeul seine frühe Kindheit.

Familienbesuch

Die DDR bedeutet für Kostas Kipuros’ Eltern Exil, Griechenland bleibt Heimat. Die griechische Community ist im Familienleben immer präsent. Ein besonderes Ereignis ist 1964 der Besuch der Großeltern. Seit fünfzehn Jahren haben sie ihre Tochter nicht mehr gesehen, ihren damals neunjährigen Enkelsohn noch nie. Bei diesem Besuch sieht Kostas seine Großeltern das erste und auch einzige Mal. Die Exilgriech:innen in der DDR sind staatenlos. Ein Visum für andere Länder zu bekommen, ist deshalb schwierig. Die Rückkehr nach einem Besuch in  der kommunistischen DDR wiederum ist für griechische Bürger:innen oft mit Schikanen durch Behörden verbunden.

Ich bin in der Lage, mich in zwei Mentalitäten hineinzuversetzen. Das ist von unschätzbarem Wert.

Kostas Kipuros, Leipzig 2022

Kostas Kipuros erzählt von seiner Kindheit in der griechischen Community und der Bedeutung der Kultur.

Journalismus und Rockmusik

Als Kostas in die zweite Klasse kommt, zieht die Familie nach Leipzig. Nach dem Schulabschluss absolviert er ein Volontariat beim Berliner Rundfunk und studiert anschließend Journalistik an der Karl-Marx-Universität in Leipzig. 1979 fängt Kostas Kipuros als Redakteur in der Abteilung Nachrichten/Außenpolitik bei der Leipziger Volkszeitung an. Die Zeitung ist der SED-Bezirksleitung unterstellt und vertritt die offizielle Linie der Partei. Er selbst sagt über die Arbeit in der Redaktion: „Was war das für ein Arbeiten? Sehr ambivalent, weil, es war natürlich klar, wir hatten die Linie des Herausgebers der Partei zu befolgen, (…). Wir haben zwar die Widersprüche des Systems schon gesehen, aber waren durch die Parteidisziplin und auch eine innere Schere dann doch genordet.“

 

Trotz der Widersprüche gefällt Kostas Kipuros die Arbeit sehr. Der Zusammenhalt in der Redaktion ist sehr groß, die Atmosphäre kollegial. Mit den meisten Kolleg:innen ist er auch  freundschaftlich verbunden.

Rock für feine Nasen

Seine zweite Leidenschaft neben dem Schreiben ist die Musik. Kostas Kipuros ist Gitarrist der Band Die Zapfen – Rock für feine Nasen. Sie covern international bekannte Songs, zum Beispiel von Cat Stevens und den Rolling Stones. Besonders leidenschaftlich und erfolgreich sind sie mit Liedern der Kölner Rockband BAP.

Kostas Kipuros spricht über seine Musik und die Geburt seines Sohnes.

Vater werden

Das Leben als Musiker erfährt einen Einschnitt, als Kostas Vater wird. 1982 wird sein Sohn Nikos geboren. Das Kind war nicht geplant, aber Kostas wird ein begeisterter Vater. Mit seiner Lebensgefährtin und seinem Sohn zieht er in eine Altbauwohnung in Leipzig.

Umzug nach Griechenland?

1987 kehren die Eltern von Kostas Kipuros nach Griechenland zurück. Sie sind enttäuscht über seinen Entschluss, in der DDR zu bleiben. Ein Riss geht durch die Familie. Erst Ende der neunziger Jahre beginnt Kostas, sich auch in Athen zu Hause zu fühlen.

Montagsdemos und politische Veränderung

In Leipzig beginnen im September 1989 die Montagsdemonstrationen gegen die politischen Verhältnisse in der DDR. Im Oktober 1989 demonstrieren hunderttausende Menschen für Reformen und freie Wahlen. Kostas Kipuros hat die Entwicklung in der Sowjetunion und die Reformpolitik von Michail Gorbatschow seit 1985 mit großem Interesse und auch mit Hoffnung verfolgt. Nun ist er als Journalist bei den Protesten und dem politischen Neuanfang dabei.

Mir wurde klar: Das ist keine Konterrevolution, diese Entwicklung ist bitter nötig.

Kostas Kipuros, Leipzig 2022

Nach dem Fall der Mauer löst sich die Redaktion der Leipziger Volkszeitung von der SED. Die Redaktion wählt einen neuen Chefredakteur, und Kostas Kipuros übernimmt das Ressort Außenpolitik. Die kurze demokratische Phase ist zu Ende, als 1991 die westdeutschen Medienkonzerne Springer und Madsack den Verlag übernehmen. Es ist eine aufregende Zeit. Viele Bonner Politiker:innen kommen nach Leipzig, um in den neuen Bundesländern Macht- und Parteistrukturen aufzubauen. Alle erscheinen bereitwillig in der Redaktion der LVZ zum Interview.

Kostas Kipuros kann zunächst weiter in seinem Ressort arbeiten. Er bleibt bis 2016 Redaktionsmitglied der Leipziger Volkszeitung und geht dann in den Ruhestand.

Heute lebt er in Leipzig und arbeitet an dem Projekt Zwischen Heimat und Fremde – Die Geschichte der griechischen Emigranten in Leipzig/Sachsen (ein Buch und eine DVD sind geplant). Musik spielt er vor allem mit der Band Susanne Grütz & Compania (griechische Musik von Vasilis Tsitsanis, Markos Vamvakaris und Mikis Theodorakis) sowie immer noch mit seiner Band Zapfen.

Credits:
Das Interview führte Julia Oelkers 2022 in Leipzig.
Text: Julia Oelkers
Recherche und Rechercheprotokoll der Fotos: Nguyễn Phương Thúy
Konzept Videoschnitt: Julia Oelkers