Mansar Asisi kommt 1957 als Elfjährige zusammen mit ihrer Mutter und fünf Geschwistern nach Halle. Ihr Vater ist zuvor als Mitglied der iranischen kommunistischen Tudeh-Partei erschossen worden. Über den Irak, Ungarn, Österreich und Polen gelangen sie als politische Emigrant:innen in die DDR.

Flucht aus dem Iran

Mansar Asisis Vater wird Mitte der fünfziger Jahre durch das Shah-Regime gemeinsam mit mehreren Genossen hingerichtet, nachdem ein Umsturzplan aufgedeckt worden war. Die kommunistische Tudeh-Partei bietet den von der Verfolgung betroffenen Familien an, den Iran in Richtung eines „sozialistischen Bruderstaats“ zu verlassen. Sie unterstützt die Familien auf der Flucht mit gefälschten Dokumenten. Zuflucht finden sie in verschiedenen Ländern des Ostblocks. Mansars Mutter ist alleinerziehende Mutter von fünf Kindern und im sechsten Monat schwanger, als sie sich auf die Flucht begibt.

Wir haben eine etwas andere Geschichte. Wir sind die privilegierten Migranten.

Mansar Asisi, Berlin 2020

Ankunft in einer Villa

1957 gewährt die DDR-Regierung Monir Saremi mit ihren Kindern Asyl. Die Familie wird zusammen mit vier anderen iranischen Familien mit dem gleichen Schicksal in einem herrschaftlichen Jugendstilhaus untergebracht. „Das ist ein richtig tolles Haus gewesen. Das war toll für uns Kinder, das war super. Wir, mit sechs Kindern, hatten zwei Zimmer. Wir hatten ein riesengroßes Zimmer und noch ein kleines. Dann hatten wir einen Klubraum, einen Essraum, unten die Küche, wir hatten eine Köchin und eine Sekretärin für die fünf Familien. Wir hatten unseren Riesengarten und haben da gespielt. Wir waren ja achtzehn Kinder. Alle Kinder auf dem Foto haben später studiert.“

Willkommen in der DDR

Die Kinder der iranischen politischen Emigrant:innen gehen zur Schule und bekommen zusätzlich etwas Deutschunterricht. Mansar Asisi kommt in die vierte Klasse. „Ich war klein und zierlich, alle mochten mich. Ich war nicht die Ausländerin, die keiner mochte. Im Gegenteil, wir waren die Exoten. Jeder wollte neben einem sitzen. Die eine hat geweint, weil sie nicht neben mir sitzen durfte. Wir hatten nicht viele Anziehsachen, die wurden gewaschen, gebügelt und wieder angezogen. Wir lebten bescheiden, trotzdem waren wir glücklich und zufrieden.“
Den iranischen Frauen wird zugesagt, dass ihre Kinder später Studienplätze bekommen und sie nach der Ausbildung die DDR verlassen können.

Freund:innen und Feste

Nach zwei Jahren ziehen die Familien aus dem Gemeinschaftshaus in eigene Wohnungen in Halle, und später nach Leipzig. Dort lebt auch eine Tante von Mansar Asisi. Sie freunden sich mit einem türkischen Ehepaar an, werden immer wieder von ihnen zum Essen eingeladen. Sie haben viele Freund:innen. Viele Fotos zeigen sie bei Feierlichkeiten. Auch ein deutscher Fotograf zählt zu den Freunden der Familie. Von ihm stammen einige der Fotos.

Das war keine schlechte Zeit.

Mansar Asisi, Berlin 2020

Ausreise aus der DDR

1965, mit achtzehn Jahren, beginnt Mansar Asisi ihr Architekturstudium in Dresden. Sie schätzt die gute Ausbildung, die sie dort erhält. 1970 schließt sie das Studium erfolgreich ab. Ihre beiden Schwestern heiraten Studenten aus Algerien. Mansar und ihre Familie haben viel Kontakt zu Menschen aus anderen Herkunftsländern, die in der DDR leben. Doch wie soll es für sie nach dem Ende der Ausbildung weitergehen? Sie will über die Bundesrepublik zurück in den Iran und stellt einen Antrag zur ständigen Ausreise aus der DDR, der bewilligt wird. In Hannover bekommt sie eine Duldung, welche monatlich verlängert werden muss. Die Rückkehr in ihr Heimatland scheitert daran, dass ihr kein iranischer Pass ausgestellt wird. Mit der Zeit wird Mansar in der Bundesrepublik sesshaft.
Monir Saremi, Mansars Mutter, die ebenfalls in die BRD ausgereist ist, kämpft beim iranischen Konsulat in Hamburg um iranische Pässe für die Familienmitglieder. Erst nach langer Zeit kann sie in ihr Heimatland zurückkehren. 2011 stirbt sie dort.

Mansar Asisi lebt als Rentnerin in Berlin.

Credits:
Das Interview führte Nguyễn Phương Thúy 2020 in Berlin
Text:
Isabel Enzenbach
Recherche und Rechercheprotokoll der Fotos:
Nguyễn Phương Thúy